Vom blinden Fleck zum Panorama

Ich werde es nie vergessen.

Als Twen mit Rucksack und Zelt trampen auf den Kanaren. Jeden Tag woanders wild campen. Abgelegene Stellen aufsuchen, auf sich selbst gestellt, Abenteuer.

Die 1.5-Literflasche Wasser am Bergbach auffüllen und in Dorfläden Brot oder Cracker besorgen. Ein heisser Tag in felsiger Gegend, ich fragte einen Local nach dem rechten Pfad hinauf. Der Weg war lang, ich war durstig und trank mein Wasser mit Bedacht, erst Mund ausspülen und alle Schleimhäute benetzen, dann langsam schlucken. Vor dem Sonnenuntergang einen Schlafplatz gesucht, Zelt aufgebaut. In der Nacht aufgewacht vor Durst und das letzte Wasser getrunken. Kein Bach in der Nähe…

Ich wachte morgens auf mit dem Mund wie Watte.
Die Flasche leer.
Ich schleckte das Kondenswasser von der Innenseite der Zelthaut…

Wasser, wo mag der nächste Bach sein, oder das nächste Haus? Ich scanne die Umgebung ab auf Vegetation und mögliche Zeichen von Feuchtigkeit. Halt, was war das?

Da bewegt sich was Buntes – ein Mensch kommt da hinten durch die Felsen. Er steuert mein Zelt an!
Das ist der Mann, der mir gestern Auskunft gegeben hatte! Er hat eine Plastiktüte dabei, die er mir gibt und mich angrinst.

Darin – eine Flasche Cola…

Schlüsselerlebnis

Bis heute weiss ich nicht, ob der Mensch ein Engel war. Aber das hat mich begleitet, und geprägt beim Reisen – ein Vertrauen, die richtigen Menschen zu treffen und, wenn ich es brauche, Hilfe zu bekommen.

Jeder von uns hatte Schlüsselerlebnisse, die oft präsent bleiben in der Erinnerung, aber immer abrufbar auf der unbewussten Ebene des Gefühls.

  • Der erste Kuss!
  • Das knapp verlorene Fussballspiel mit dem verzogenen Elfmeter.
  • Die fremde ältere Dame, die Dich nach Hause begleitet hat, als Du den Weg nicht fandest.
  • Der Augenblick, als Du verstandest, dass Dein geliebter Freund fort ist.

Welche gefühlsgeladenen Momente haben Dein Leben geprägt?

Diese Momente des Schrecks, des Glücks, des Schmerzes, der Erleichterung werden in Dir gespeichert und bewertet.

Du entwickelst Sympathie und Antipathie der zugehörgen Eindrücke, und Vermeidungsstrategien „Respekt bis Angst bis Phobie“ vor den mit unangenehmen Empfindungen verknüpften Erfahrungen, abhängig von der internen Bewertung. Diese natürliche Strategie wählt aktive Trigger aus, also welche Sinneseindrücke oder Gedanken in Dir Unwohlsein auslösen als Warnzeichen! Und natürlich auch Faktoren, die Dich trösten, entspannen oder glücklich machen.

Software für den Autopiloten

Das ist wie das Zeichnen einer inneren Landkarte und die Einstellung des Autopiloten zur Navigation durchs Leben: Manche Routen werden ausgebaut und tief eingefahren, andere gemieden und einige, verdeckt durch Verbots- und Baustellenschilder, nie entdeckt.

Die innere Landkarte drückt sich – früher oder später erkennbar – körperlich aus.
Nicht nur in Gesichtsfalten. Auch in Stärken, Schwächen, Eigenheiten und Krankheitsneigungen. Die Dich begleiten und -manchmal- vom Geniessen Deines Daseins abhalten.
Als Therapeut vertraut mit Muskelspannungsmustern, Reflexzonen oder Energieleitungssystemen kann ich über diese oft gute Hinweise über Verarbeiten oder Verdrängen gewisser Emotionen des Klienten bekommen. Und hier liegt auch der Schlüssel zum Pfad der Befreiung – der Entwicklung von Funktionen, die unserer jetzigen Situation und unseren Vorhaben besser angepasst sind. Unser Evolutionspotential!

Nehmen wir zum Beispiel Sehschwäche. Der Begriff bezeichnet eine eingeschränkte Möglichkeit , Ziele auf unterschiedlichen Abständen in Fokus zu nehmen und klar zu erkennen. Die Zusammenarbeit vieler verschiedener Gewebe im und ums Auge ist gefordert: Linse, Glaskörper, Netzhaut und Sehnerven fangen das Bild auf und leiten es ans Gehirn weiter; Viele Augenmuskeln bestimmen Bewegungen und Form des Augapfels, Bindehaut und Hornhaut schützen ihn. Tränendrüsen reinigen und schmieren ihn, Augenlider und Wimpern haben auch Reinigungs- und Schutzfunktionen. Auf allen diesen Ebenen wirken auch suboptimale Funktionen und – Routinen auf die Sehstärke aus.

Ausgewertet werden die erhaltenen Eindrücke im Gehirn. Stimuliert auch: durch das Hinschauen-dürfen und -wollen.

Was nicht stimuliert wird, verkümmert

Spürst Du, welchen Einfluss hier Dein innerer Autopilot hat? Er lenkt Dich in die vertrauten Gassen und auf die Autobahnen der Routinen, hält Dich in der sicheren „comfort zone“. Auffällig ist, wie sich vor allem Kurzsichtigkeit explosiv verbreitet hat, seitdem gesellschaftlich mehr und mehr Wert aufs Detailsehen, aufs Lesen in Büchern, Skripten und Computern gelegt wurde.

Zudem ist der Ursprung der Anderssichtigkeit wiederum eine biologische Strategie, die Dir erlaubt(e), etwas Bedrohliches, Unerlaubtes oder Unerträgliches nicht sehen zu müssen, und Dich so auf Angenehmeres, Sicheres fokussieren zu können. Auch das Aus-den-Augen-verlieren eines für Dich bedeutungsvollen Anblicks oder Ziels führt zu einer Reaktion und zu einem Fleck in Deiner Landkarte.

Gibt es verfügbare Updates?

Die Emotionen, die mit diesen anfänglich sehr wohl zweckmässigen Änderungen Deines Sehens gekoppelt waren, und die mögliche Angst vor ihnen, sind Schlüssel zur Öffnung für Sehverbesserung. Vergleichbar mit einem Wagen, den Du am Berg mit angezogener Bremse parkst, damit er nicht wegrollt und zur Gefahr wird, wirst Du auch für Dein Sehen die Handbremse erst lösen, wenn deren Funktion durch andere Mechanismen kompensiert ist oder wenn du sicher bist, dass sie inzwischen überflüssig ist.

Das ist der Grund, warum eine Brille zwar eine äusserliche Sehverbesserung erzwingt, aber den Prozess der weiteren „Augenverschlechterung“ nicht aufhalten kann. Auch Augenübungen allein helfen nur dem, der keinen emotionalen Grund für seine Sehschwäche mehr im Autopiloten einprogrammiert hat, sondern ihn durch wache, freudige Neugierde auf der Basis von Geborgenheit ersetzen konnte.

Hier geht’s weiter…


Originalbeitrag von Kora Klapp auf meta-evolution.de

Foto: Barefoot Coaching

2 Kommentare

  1. hej kora, ich bin schon sehr lange kurzsichtig und habe mich gefragt warum das so ist. ich bin aber eher der überzeugung dass die kurzsichtigkeit in meinem fall dazu dienen soll jedweden möglichen fehler der meine existenz oder die eines von mir geliebten wesens bedrohen könnte schneller identifizieren zu können, indem ich jedes detail erfasse. die anstrengungen die dazu erforderlich sind , sind enorm für den ganzen organismus. es ist mir kaum möglich gelassen in die weite zu schauen. intuition und urvertrauen sind heilsame dinge, da intuition keinen tunnelartigen focus benutzt und urvertrauen eine entspannung bedeutet. nur ist es so, dass beides tief in uns verborgen liegt ( meistens) und behutsam gefunden werden will.
    die änderungen die nötig sind um über generationen eingespeiste reaktionsmuster zu relativieren brauchen viel zeit, da die kurzsichtigkeit auch zu spezialisierungen führt, die vorteile bieten. analytische fähigkeiten, ein ausgezeichnetes gedächtnis, hochsensibilität, abkürzungen im denkvorgang zu kreieren, deduktion, mikroskopische wahrnehmung.
    lieben gruss, jana

  2. Hallo Jana,
    da hast Du Deine Kurzsichtigkeit ja schon gut analysiert. „jedweden möglichen fehler der meine existenz oder die eines von mir geliebten wesens bedrohen könnte schneller identifizieren zu können, indem ich jedes detail erfasse.“ – das spricht von großer innerer Anspannung (die sich auf Haltung und auf die Augenmuskeln überträgt), und von hohen Ansprüchen an Dich selbst.
    Es lohnt sich, den Grund für diese Strategie zu finden, um die Erinnerung heilen zu können und damit erst offen für weitere Perspektiven zu werden. Auch die Erfahrung von Generationen ist daran beteiligt – aber für Dich ist wichtig, die Erweiterung des Sehfeldes, und die Entspannung der Augen, hier und jetzt als sicher und erstrebenswert wahrzunehmen. Furcht vor Verlust von Vorteilen und Fähigkeiten verhindert ja die Veränderung.
    Daher kannst Du Dir bewusst werden, dass Dir das, was Dir die Kurzsichtigkeit geschenkt hat, nämlich besondere Fähigkeiten, ja als Möglichkeit erhalten bleibt – die Denkwege sind ja gebahnt. Aber eben nicht als Imperativ.
    Du kannst sie durch weitere Fähigkeiten komplettieren, die Dir die Anspannung sonst verwehrt: schnellen Fokuswechsel, Akkomodation, Präsenz im „Spielmodus“ und Loslassen-können.

    Und klar, das ist meist ein schrittweiser Prozess, denn er soll ja von allen Deinen Ebenen unterstützt sein.
    Herzlich, Kora

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